Diatomeen

Diatomeen oder Kieselalgen sind photosynthetisch aktive Einzeller, also Primärproduzenten, die in deutschen Gewässern mit rund 2.100 verschiedenen Taxa artenreich und weit verbreitet vorkommen. Jedes Individuum besitzt zwei Schalen aus Kieselsäure, die wie die Hälften einer Schachtel ineinandergreifen. Diese Skelette aus Quarzglas gehören je nach Ordnung, Familie und Gattung unterschiedlichen Konstruktionstypen an und weisen spezifische Merkmale auf, die zur Bestimmung herangezogen werden.

Die meisten Arten im Aufwuchs (Benthos) von Binnengewässern können sich aktiv fortbewegen. Andere sitzen bewegungslos an Wasserpflanzen, Sandkörnern und Steinen angeheftet, einzeln oder zu individuenreichen Kolonien vereinigt. Als Basis der Nahrungsketten sind Diatomeen in ihrer Bedeutung zwar bekannt, bisher aber eher noch unterschätzt. Die Zahl der Individuen kann mehr als 20 Millionen in einem Liter Flusswasser betragen oder mehr als 1 Million auf einem Quadratzentimeter Substratfläche.

Diatomeen besiedeln nahezu alle aquatischen Lebensräume und sind in allen deutschen Gewässertypen weit verbreitet. Das Spektrum reicht von reinsten Quellen bis in das Brackwasser von Strommündungen, von Weichwasserseen des Tieflandes und der Mittelgebirge bis zu kalkreichen Seen der Alpen und Voralpen, von dystrophen Moorgewässern bis zu Salzstellen des Binnenlandes, auch Klein- und Kleinstgewässer werden besiedelt.

Die große ästhetische Attraktivität der Diatomeenschalen hat seit Beginn des 19. Jahrhunderts viele Mikroskopiker zum intensiven Studium angeregt. Daher war der Wissensstand hier im Vergleich zu anderen Gruppen mikroskopisch kleiner Algen schon früh weit fortgeschritten. In dieser langen Tradition steht heute eine umfangreiche Bestimmungsliteratur, die zudem die autökologischen Ansprüche der in Deutschland verbreiteten Arten dokumentiert.

Abbildung Mikroskopaufnahme der Diatomeae Cocconeis placentulata Abbildung Mikroskopaufnahme der Diatomeae Nitzschia fonticola
Abbildung Mikroskopaufnahme der Diatomeae Rhoicosphenia abbreviata Abbildung Mikroskopaufnahme der Diatomeae Gomphonema olivaceum

Abb. 1: Vielfalt der Kieselalgen (Fotos: G. Hofmann).

Wesentlich für die Ausprägung der Diatomeen-Gesellschaften in Fließgewässern sind neben hydromorphologischen Faktoren wie Substratbeschaffenheit und Fließgeschwindigkeit vor allem stoffliche Zustandsgrößen –Elektrolytgehalt, Alkalinität sowie Trophie und Saprobie. Diese bestimmen in erster Linie die Artenzusammensetzung und -häufigkeiten sowie die Diversität der jeweiligen Gesellschaft. Aufgrund ihres Artenreichtums, der weiten Verbreitung, aber vor allem wegen ihrer hohen Sensibilität gegenüber verschiedenen Zuständen der Gewässerbelastung sind benthische Diatomeen hervorragende Bioindikatoren. Infolge ihrer schnellen Teilungsraten reagieren sie als Kurzzeitindikatoren innerhalb kurzer Zeit auf sich verändernde stoffliche Belastungen und vermögen daher auch temporäre Belastungen anzuzeigen.

Spezifische Indikationsverfahren auf der Basis von Diatomeen erlauben den Nachweis und die Bewertung von trophischen und saprobiellen Belastungen ebenso wie von anthropogener Versauerung und Versalzung. Das sogenannte PHYLIB-Verfahren zur Bewertung der floristischen Qualitätskomponente „Makrophyten & Phytobenthos“ zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie in Fließgewässern (Schaumburg et al. 2012) integriert die unterschiedlichen Methoden erstmals in eine ganzheitliche Bewertung der ökologischen Qualität. Es umfasst die drei Teilkomponenten „Diatomeen“, „Makrophyten“ und „Phytobenthos ohne Diatomeen (PoD)“.

Im Folgenden wird das Verfahren zur Bewertung der Teilekomponente „Diatomeen“ vorgestellt. Das Verfahren kann auf alle Gewässerkategorien – natürliche, erheblich veränderte und künstliche Gewässer – angewendet werden.


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