Phytobenthos Nordsee (Helgoland)
Entlang den südlichen und östlichen Nordseeküsten sind Wattenmeere und Sandstrände die vorherrschenden Küstentypen, während größere Bereiche an natürlichem Hartsubstrat, wie es für eine ausgedehnte Makroalgenvegetation notwendig ist, kaum vorhanden sind. Die Insel Helgoland bietet jedoch durch ihren Felssockel inmitten der Weichsubstratumgebung der Nordsee, nur etwa 40 km vom Festland entfernt, einen wichtigen Standort für marine Lebensräume, deren Hartbodengemeinschaften maßgeblich von Makroalgen der drei dominanten Großgruppen, den Braun-, Grün- und Rotalgen, geprägt werden. Diese reichen von der Spritzwasserzone bis in das Sublitoral in eine Tiefe, in der noch genügend Licht für ein Pflanzenwachstum zur Verfügung steht. Insbesondere die Gruppe der braunen Großtange strukturieren viele der litoralen Habitate. Vereinfacht lässt sich sagen, dass Vertreter der Braunalgen das Litoral ähnlich den Bäumen eines Waldes strukturieren (Seetangwälder), während Rot- und Grünalgen oft als Unterwuchs fungieren. Daneben existieren Bereiche, in denen wie im Eulitoral die Grünalgen, oder wie im Sublitoral die Rotalgen große Flächen 'Rasen'-ähnlich bedecken. Insgesamt befindet sich der Hauptanteil der Algenvegetation im Sublitoral. Tangbestände mit Unterwuchs von Rotalgen kommen bis etwa 12 m Tiefe vor, buschige Rotalgen- und Krustenvegetation ist bis 25 m Tiefe vorhanden. Der mit Makrophyten bewachsene Gezeitenbereich ist zwar prägnant, da dem Beobachter leicht zugänglich, stellt aber in seiner Ausdehnung nur ca. 1 % der Gesamtfläche dar.
Makroalgengemeinschaften temperierter Zonen werden durch Klimax-Gesellschaften dominiert deren Zonierungen im Eulitoral und Sublitoral verschiedene Mechanismen zugrunde liegen. Hohe Licht-, Temperatur- und Salzgehaltsschwankungen sowie der ständige Wechsel von Trockenfallen und Eintauchen charakterisieren die Gemeinschaften im Gezeitenbereich. Ein großer Teil der Arten muss eine hohe Toleranz gegenüber Veränderungen von Umweltfaktoren besitzen, um im Eulitoral existieren zu können. Im Sublitoral hingegen herrschen relativ beständige Lebensbedingungen. Beide Bereiche sind jedoch den Auswirkungen erhöhter Nährstoffeinträge ausgesetzt und können darauf mit deutlichen Veränderungen reagieren. Neben direkten Folgen für Indivduen können durch die systembedingte Vernetzung und den Interaktionen zwischen den Arten, Belastungen, wie Schadstoffe oder Eutrophierungen, vielfältige Reaktionen der Gemeinschaft auslösen. Aufgrund solcher Beziehungen sind Veränderungen der Abundanzen von Makroalgenarten, wie beispielsweise die Zunahme von Grünalgen, auch als Ergebnis von Veränderungen in anderen Organismengruppen zu betrachten.
Die Insel Helgoland und ihre Lebensgemeinschaften werden sowohl durch die Wassermassen der Nordsee, als auch von den großen Zuströmen aus Elbe, Weser und Ems beeinflusst. Neben atmosphärischen Stickstoffbelastungen sind somit die terrestrischen Nährstoffeinträge über die Flüsse auch im relativ abgelegenen Helgoland ein wichtiger Belastungsfaktor für die Algengemeinschaft.
Unter dem Einfluss von Wasserverschmutzung durch Nährstoffeinträge und der daraus resultierenden Eutrophierung wurde eine Entwicklung der Makrophytengemeinschaften beobachtet, die in vielen Meeresgebieten ähnlich verlief. Ausgehend von einer stabilen Klimaxgesellschaft mit vieljährigen Braunalgen und den damit vergesellschafteten Rotalgen steigt die Gesamtanzahl der Arten durch vermehrtes Vorkommen von Grünalgen. Im weiteren Verlauf verringert sich jedoch die Diversität und bei drastischer Verschmutzung überwiegen hauptsächlich wenige schnellwüchsige Opportunisten-Algen. Eine durch Eutrophierung bedingte Zunahme der Trübung des Wassers verändert zudem die sublitorale Zonierung der Makroalgen, indem sich die Tiefengrenzen nach oben verschieben. Daraus resultiert gleichzeitig eine Verringerung des für die sublitoralen Algen zur Verfügung stehenden Lebensraumes, des Phytals.
Quantitative, großräumige Bestandsaufnahmen der Makrophytenvegetation der Küstengewässer Helgolands werden erst seit 2003 auf Grundlage der Monitoringvorgaben der WRRL durchgeführt. Neben der räumlichen Verteilung und den Abundanzen von Hauptgattungen wie Fucus, Laminaria und Ulva werden die Algentiefengrenzen verschiedener sublitoraler Arten hinzugezogen. Es wird davon ausgegangen, dass eine Verbesserung bzw. Verschlechterung der Wasserqualität sich vor allem durch eine Veränderung des Lichtangebotes auf die Tiefengrenze sublitoraler Algen auswirkt. Eine Eutrophierung aufgrund hoher Nährstoffeinträge führt häufig zu einer Steigerung der Planktonproduktion und damit einhergehend einer Erhöhung der Partikeldichte des Wassers. Als Folge der Eintrübung verringert sich das Lichtangebot (messbar als Sichttiefe) und verursacht eine Verschiebung sublitoraler Tiefengrenzen nach oben. In Helgoland konnte dies anhand eines Vergleiches der Ergebnisse des bisherigen WRRL-Monitorings mit Studien zu Zeiten hoher Nährstoffbelastung um 1970 gezeigt werden, als die Tiefengrenzen wesentlich höher lagen.
Aus dem Vergleich des heutigen mit dem historischen Zustand zeigt sich, dass sich die Makroalgenvegetation zwar qualitativ verändert hat, ihre Hauptformen und wesentlichen Biotope jedoch durchgängig vorhanden waren. Auffallend sind allerdings Veränderungen in der Braunalgendiversität, die Verringerung der Zahl seltener Arten und die Zunahme an ephemeren Arten, die bekannt sind als Anzeiger von erhöhten Nährstoffmengen.
Zur Bewertung des Phytobenthos im Bereich der Küstengewässer von Helgoland steht das Bewertungssystem "Helgoland Phytobenthic Index" (HPI) zur Verfügung.