Probenahme und Aufbereitung
Die Probenahme und Aufbereitung folgt den Arbeitsschritten: Planung der Probenahme, Freilandarbeit und Aufbereitung der Proben im Labor. Je nach Gewässer(typ) oder Zustand des Gewässers kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz, bzw. können gewählt werden (z. B. Taucharbeit oder schiffsgestützte Probenahmetechniken).
Planung der Probenahme (Vorarbeiten)
- Festlegung des/der zu beprobenden Biotops/Biotoptypen
- Räumliche Durchführung
- Zeitliche Durchführung
Freilandarbeiten
- in Abhängigkeit vom Biotoptyp und den örtlichen Gegebenheiten als Tauch- oder schiffsgestützte Beprobung
Aufarbeitung der Proben
- Bestimmung des Artenspektrums
- Analyse der Abundanz (Individuenzahlen)
Planung der Probenahme (Vorarbeiten)
Festlegung des/der zu beprobenden Biotops/Biotoptypen
Die Bewertung des MZB erfolgt innerhalb eines Wasserkörpers. Natürlicherweise ist der Meeresboden in allen Wasserkörpern der deutschen Ostseeküste durch das MZB besiedelbar. Entsprechend kann die Probenahme überall im Wasserkörper durchgeführt werden und ist damit unabhängig von zuvor spezifizierten Stationen. Allerdings sind die einzelnen Habitate wie Weichboden, Phytal und Hartsubstrat, nicht in jedem Wasserkörper vorhanden, bzw. sind in Bezug auf den Flächenanteil nicht gleichmäßig verteilt. Aus diesem Grund wird für jeden Wasserkörper das Habitat bestimmt, welches rezent den größten Anteil hat. Dieses Habitat ist als repräsentativ für den gesamten Wasserkörper anzusehen und zu beproben. Alle anderen Habitate werden ignoriert. Eine Liste, in der das zu beprobende Habitat für jeden Wasserkörper festgelegt ist, kann dem Handbuch zum Verfahren entnommen werden (Berg & Meyer 2015). Für eine vergleichbare und abgesicherte Bewertung wird eine Anzahl von 20 Proben pro Habitat und damit Wasserkörper festgelegt, um die Erfassung eines möglichst großen Teils des Artenspektrums zu gewährleisten.
Räumliche Durchführung
Für die Bewertung ist es unerheblich, ob die einzelnen Proben zufällig in der Fläche des Wasserkörpers verteilt sind oder entlang eines Transektes, das vom Flachwasser in größere Tiefen reicht, genommen werden. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass die Proben an Orten entnommen werden, die für den gesamten Wasserkörper als repräsentativ und typisch gelten können (in Bezug auf Wassertiefe, Exposition, Sediment etc.). Die Beprobung geschieht pro Wasserkörper und soll möglichst nicht
- an den geographischen Grenzen der Wasserkörper,
- an den vertikalen Tiefengrenzen der Wasserkörper,
- an Übergängen zwischen Habitaten
stattfinden, sondern möglichst immer in den zentralen Bereichen dieser Gradienten. Die Probenahmestellen sollen
- geografisch im mittleren bzw. typischen Bereich der Wasserkörper,
- in den mittleren vertikalen Bereichen der Wasserkörper,
- in den zentralen, typischen und gut ausgeprägten Teilen der Habitate
stattfinden.
Grundsätzlich ist der gesamte vertikale Siedlungsbereich, der innerhalb eines Wasserkörpers natürlicherweise zur Verfügung steht, zu berücksichtigen, wobei Extremzonen wie z.B. der unmittelbare Übergangsbereich zwischen Land und Wasser zu vermeiden sind. Folgende Tiefenzonen wurden deshalb für die einzelnen Küstengewässertypen festgelegt (Tab. 1).
Küstengewässertyp |
Zu beprobender Tiefenbereich |
B1 |
1 m bis zur unteren Tiefengrenze des Gewässers aber nicht tiefer als 10 m |
B2 |
1 m bis zur unteren Tiefengrenze des Gewässers aber nicht tiefer als 10 m |
B3 |
2–10 m |
B4 |
17–30 m |
Ausgenommen von diesen grundsätzlichen Tiefengrenzen sind:
- Wasserkörper, in denen über 25 % der Wasserfläche flacher als 1 m sind: dort sind die flachen Bereiche als typisch anzusehen und nicht auszuschließen.
- Beprobungen des Habitats „Phytal“: dort ist das typische, dichte Phytal unabhängig von der Wassertiefe zu beproben.
Zeitliche Durchführung
Für ein operatives Monitoring ist eine einmalige Probenahme pro Wasserkörper und Jahr als Minimalanforderung ausreichend. Der jahreszeitliche Schwerpunkt dieser Probenahme variiert zwischen den Biotopen (Tab. 2).
Biotoptyp |
jahreszeitlicher Schwerpunkt der Beprobung |
Weichboden |
zeitiges Frühjahr (Mitte März – Mitte April) um starke Abundanzschwankungen durch Fortpflanzungsereignisse zu vermeiden. Beprobung des „standing stock“ der Gemeinschaft. |
Phytal |
zeitiger Sommer (Mitte Juni – Mitte Juli) zum Hauptvegetationszeitpunkt der mehrjährigen Vegetationselemente als Lebensraum der Phytalfauna |
Freilandarbeiten
Die Erfassung des Arteninventars und der Abundanz (Individuendichte) erfolgt vorwiegend mittels Taucharbeiten, um die klare Trennung der Habitate zu gewährleisten. Die Beprobungen müssen von geprüften und geschulten Forschungstauchern und -taucherinnen nach den Richtlinien der Berufsgenossenschaft durchgeführt werden, um alle sicherheits- und versicherungstechnischen Aspekte abzudecken, aber auch die fachlich gesicherte Ansprache der Habitate sicher zu stellen. Die spezifischen Probenahmetechniken für Makrozoobenthosuntersuchungen in marinen Sedimenten (Weichboden) sind in einer Standardarbeitsanweisung (SOP) des Umweltbundesamtes (BLMP 2009) festgeschrieben, die alle erforderlichen Geräte und Materialien auflistet und alle Arbeitsschritte detailliert beschreibt sowie in der DIN-Norm Wasserbeschaffenheit – Anleitung für die quantitative Probenahme und Probenbearbeitung mariner Weichboden-Makrofauna. Die zu leistenden Untersuchungen werden deshalb nachfolgend nur skizziert.
Der Einsatz schiffsgestützter Probenahmegeräte wie z. B. dem Greifer (Abb. 1) ist ausschließlich für die äußeren Küstengewässer (Typ B3 und B4) und nur im Habitat Weichboden vorgesehen und muss dann in Kombination mit Unterwasser-videotechnik durchgeführt werden. Eine Probenahme ohne Sichtkontrolle ist zu vermeiden. Die zu beprobende Fläche einer einzelnen Probe soll jeweils 0,1 m2 betragen. Als Probenahmegerät wird bei Tauchbeprobung ein Sammelrahmen (Größe: 0,33 x 0,33 m), bei der schiffsgestützten Beprobung in der Regel ein Van-Veen-Greifer benutzt.
Für Phytalbeprobung ist ausschließlich eine Tauchbeprobung per Sammelrahmen vorgesehen (Abb. 1). Der Rahmen wird auf den Meeresboden gesetzt, auf dem das Phytal wächst. Dann werden die oberirdischen Pflanzenteile, die sich innerhalb des Rahmens befinden, vom Substrat gelöst (entweder mit einem Messer oder mit der Hand) und in den aufgespannten Netzbeutel überführt. Die an den Pflanzen lebenden Tiere verstecken sich dabei in den Pflanzen (sie flüchten nicht ins offene Wasser), so dass trotz der „Störung“ durch die Beprobung eine quantitative Probenahme erfolgt. Das übrige Vorgehen entspricht dem in der SOP beschriebenen Verfahren beim Weichboden.
Für die Probenahme ist ein Feldprotokoll zu führen, welches mindestens folgende Informationen enthalten soll (Tab. 3.
Parameter |
Einheit/Definition |
Probenahmestelle/Transektname |
eindeutige Zeichenkette |
Wasserkörper |
Name/Bezeichnung des Wasserkörpers |
Beprobtes Habitat |
Weichboden/Phytal |
Datum und Uhrzeit |
Tag, Monat und Jahr, sowie Uhrzeit |
geografische Position |
Gradangaben im System WGS84 oder ETRS89 (das Koordinatensystem muss mit angegeben werden) |
Verwendetes Probenahmegerät |
Greifer oder Rahmen mit Angabe der Größe und des Gewichtes (Gewicht nur beim Greifer) |
Füllhöhe der Probe |
Nur beim Greifer: Füllhöhe in cm oder % des Gesamtvolumens des Greifers |
Maschenweite der Siebe |
mm |
Salzgehalt |
psu (an der Wasseroberfläche und über Grund) |
Wassertemperatur |
Grad Celsius (an der Wasseroberfläche und über Grund) |
Sauerstoffgehalt und -sättigung |
mg/l (Sauerstoffgehalt) und Prozent (Sauerstoffsättigung) (an der Wasseroberfläche und über Grund) |
Wetter und Wind |
ICES-Wettercode und Windrichtung (N, NE, E, ..., W, NW) |
Secchi-Tiefe (Sichttiefe) |
Meter (gemessen mit einer Secchi-Scheibe) |
Exposition |
6-stufige standardisierte CIS Skala |
Sedimenttyp |
|
Anthropogene Beeinflussung (in der Umgebung der Probenahmestelle) |
z. B. Baggerungen, Fischerei, Freizeitaktivitäten, Verklappung, besondere Nutzungen |
biogene Strukturen (in der Umgebung der Probenahmestelle) |
z. B. Kothaufen von Wattwürmern oder Atemlöcher für Muscheln, etc |
Vorort wird grundsätzlich die gesamte Probe nach vollständiger Siebung über 1 mm Maschenweite in 4 %-igem Formaldehyd (mit Borax gepuffert) fixiert. Jede Probe wird einzeln gesiebt, bearbeitet sowie getrennt aufbewahrt und dokumentiert.
Aufarbeitung der Proben
Die Probenaufarbeitung im Labor erfolgt ebenfalls nach den Vorgaben der Standardarbeitsanweisung und der DIN EN Richtlinien und hat die Bestimmung der Taxa (Artenspektrum) sowie die Zählung der Individuen (Bestimmung der Abundanz) zum Ziel.
Kleinere Portionen der zu untersuchenden Probe werden dazu über einem Sieb mit einer Maschenweite von 1 mm mit einem sanften Strahl von Leitungswasser gespült, um das Formaldehyd auszuwaschen. Um die Bearbeiter vor Formaldehyd-Dämpfen zu schützen, hat das Auswaschen aus Arbeitsschutzgründen unter einem Abzug oder in einem geeigneten separaten Raum zu erfolgen. Der Siebrückstand wird in eine Sortierschale überführt und knapp mit Leitungswasser überschichtet. Danach erfolgt das Aussortieren unter dem Stereomikroskop bei einer Vergrößerung von 10× bis 20×. Dazu wird mittels verschiedener Pinzetten und Präparier- bzw. Insektennadeln das Material grob nach Größe und Großtaxa vorsortiert und in bereit stehende Sortiergefäße überführt.
Große Individuen (Seesterne, Seeigel, Muscheln) werden in einen separaten Behälter überführt, ebenso Steine oder anderes Hartsubstrat mit Bewuchs. Wurmröhren werden nicht entfernt, um die Tiere für die spätere taxonomische Zuordnung möglichst intakt zu erhalten. Außerdem kann die Form und Struktur der Röhren als taxonomisches Hilfsmittel dienen. Nach dem Sortieren werden die Taxa in Gefäße mit der gleichen Aufschrift wie bei den Probengefäßen gegeben. Es entfällt dabei die eventuell vorhandene Gefäßnummer, dafür kommt die Bezeichnung des Taxons hinzu. Zur Erleichterung der Sortierung können Färbemittel verwendet werden.