Benthische wirbellose Fauna der Ostsee
Die bestimmenden Faktoren für die Verteilung einzelner wirbelloser Arten und die Zusammensetzung der Faunengemeinschaften der Küstengewässer der Ostsee sind Salzgehalt, Wassertiefe und die Form des Untergrundes. Dabei hängen Salzgehalt und Wassertiefe eng zusammen. Eine sogenannte Sprungschicht, die sich in etwa bei 15 m Wassertiefe in den offenen Küstengewässern befindet, trennt eine obere Wasserschicht mit niedrigerem Salzgehalt und höherer Temperatur von einer tieferen Wasserschicht mit höherem Salzgehalt und niedrigerer Temperatur. Die Artenvielfalt ist höher in den salzreicheren, tiefer liegenden Meeresböden. Der überwiegende Teil der Küstengewässer liegt oberhalb der saisonalen Sprungschicht. Neben dem vertikalen gibt es auch einen horizontalen Salzgehaltsgradienten mit ca. 18-20 psu im westlichen und ca. 6-8 psu im östlichen Teil der Außenküste. Auch am Übergang zwischen den inneren und äußeren Küstengewässern ergibt sich ein Salzgehaltsgradient. In den innersten Bereichen mancher Ästuare und Bodden herrschen nahezu Süßwasserverhältnisse, wodurch Faunenelemente wie Insekten(larven), Oligochaeten (Wenigborster) oder Schnecken zum Artenspektrum hinzutreten. Innerhalb dieser Salzgehaltsgradienten ergibt sich ein Artenminimum, das bei einem Salzgehalt zwischen 5 und 8 psu liegt.
Veränderungen von Faunengemeinschaften durch anthropogene Beeinflussung sind seit Jahrzehnten für die Ostsee gut dokumentiert. Die Eutrophierung in Form erhöhter Nährstoffzufuhr erhöht die planktische Primärproduktion in einem Maße dass nur noch ein Bruchteil in den Nahrungsnetzen des freien Wassers oder der benthischen Nahrungskette umgesetzt wird. Dies führt zu einer erhöhten Menge an abgestorbenem Plankton, das am Meeresboden akkumuliert. Bakterielle Abbauprozesse dieses Materials führen zu einer stärkeren Sauerstoffzehrung. Besonders die Epifauna ist empfindlich gegenüber Sauerstoffarmut, aber auch die Infauna kann längere Phasen der Sauerstoffarmut nicht überleben. Zugleich wird die natürliche Sukzession der Faunengemeinschaften verändert. Vor allem empfindliche Arten und k-Strategen (Arten, die eine langsame Entwicklung und einen langen Lebenszyklus haben) werden zurückgedrängt, während kurzlebige und anpassungsfähige Opportunisten-Arten profitieren. Die Gemeinschaft verschiebt sich von größeren Arten und Suspensionsfressern hin zu kleineren, näher an der Sedimentoberfläche lebenden Depositfressern. Aber auch physikalische Störungen des Meeresbodens wie die Bodenschleppnetzfischerei, Bergbau, Verklappungen oder Baumaßnahmen für Offshore-Windkraftanlagen und Küstenschutz verändern die Lebensgemeinschaften am Boden in ähnlicher Weise.
Zur Bewertung der benthischen wibellosen Fauna steht das Bewertungsverfahren MarBIT (Marine Biotic Index Tool) zur Verfügung. Es bewertet die Faunenelemente der Weich- und Hartböden sowie der Vegetationsbestände (Phytal) aller Küstengewässertypen der Ostsee.