Bewertung ökologischer Zustand

Das Bewertungssystem PHYBIBCO ist als modularer, multimetrischer Index aufgebaut. Es bewertet ausschließlich die Vegetationskomponenten der inneren Küstengewässer der Ostsee.

Auf den Flächenanteil bezogen dominieren dort Weichböden, weshalb bei PHYBIBCO vor allem die charakteristischen Vegetationselemente des Weichbodens

  • Submerse höhere Pflanzen (Angiospermen) und
  • Armleuchteralgen (Characeen = Charophyten)

zur Bewertung herangezogen werden. Emerse Vegetation, also Pflanzen, die über die Wasseroberfläche weit hinausragen wie Schilf, epilithische (= Hartbodenvegetation) und epiphytische Großalgen (= Aufwuchsalgen) werden nicht berücksichtigt. Nicht festgewachsene, morphologisch an das Weichbodenhabitat angepasste Spezialformen der Großalgen Fucus und Furcellaria, die nur in einigen Boddengewässern vorkommen, werden zumindest bei einem Bewertungsparameter berücksichtigt.

Es stehen insgesamt zwei Einzelparameter für die Bewertung zur Verfügung, die Auswirkungen der Eutrophierung auf Makrophyten, wie eine Reduktion der Tiefengrenzen und Veränderungen der Artenvielfalt bei Verlust eutrophierungssensitiver Arten, widerspiegeln.

Für beide Bewertungsparameter wurde eine fünfstufige Klassifizierung erarbeitet. Dadurch kann jeder Parameter separat und unabhängig voneinander bewertet und ein ökologischer Zustand zugewiesen werden. Entsprechend wird die Bewertung nachfolgend erst für jeden Einzelparameter/Teilindex dargestellt und im Anschluss daran die Gesamtbewertung beschrieben.

Ökologische Wertigkeit/Arteninventar

Die Artenvielfalt ist ein Parameter, der von der WRRL zur Bewertung der Biologischen Qualitätskomponente Makrophyten vorgegeben wurde. Das durch den reduzierten Salzgehalt natürlicherweise geringe Artenspektrum der Ostsee, schränkt die Bewertungsmöglichkeiten dieses Parameters in der Regel stark ein. Gerade die submersen, wurzelnden marinen Vegetationsformen zeichnen sich durch eine deutliche Artenarmut aus, so dass auch für die Weichbodenhabitate der inneren Küstengewässer die Artenzahl niedrig ist, obwohl Süßwasserarten als „Einwanderer“ ins Brackwasser die Artenvielfalt im Vergleich zum rein marinen Bereich erhöhen.

Für die Artenzahl als Summe der Angiospermen und Armleuchteralgen konnte grundsätzlich ein signifikanter Zusammenhang zur Belastung nachgewiesen werden: Je geringer der Gesamtstickstoff in einem Gewässer, desto mehr Arten sind vorhanden. Um für die Artenvielfalt als Einzelparameter zu einer von der WRRL geforderten fünfstufigen Bewertung zu gelangen, wurde der Bewertungsansatz der WRRL-Makrophytenbewertung in Seen (PHYLIB) auf die inneren Küstengewässer übertragen. Dabei werden den einzelnen Arten ökologische Wertigkeiten zugewiesen. Ausgehend von dem fünfstufigen Wertesystem (sehr gut bis schlecht) der WRRL und unter Beachtung von gewässerspezifischen Degradationsreihen mit der höchsten Wertigkeit für Pflanzengemeinschaften mit Armleuchteralgen und der geringsten Wertigkeit für Pflanzengemeinschaften mit euryöken Angiospermen ergibt sich für die typischen Vegetationsformen der inneren Küstengewässer eine Wertematrix. Arten, die in dieser Matrix mit „0“ bedacht werden, sind nicht bewertungsrelevant (keine charakteristische Vegetationskomponente) und haben weder positiven noch negativen Einfluss auf die Bewertung.

Durch Verknüpfung dieser Wertematrix mit Referenzartenlisten, die aus historischen Untersuchungen und aktuellen Bestandsdaten aufgestellt wurden, wird ein Referenzwert der ökologischen Wertigkeit ermittelt. Entsprechend der vom Salzgehalt abhängigen Verbreitung der Arten, gibt es insgesamt vier (gewässer- = salzgehaltsspezifische) Referenzartenlisten und dadurch gewässerspezifische Referenzwerte der ökologischen Wertigkeit (Tab. 1). Dabei war die Menge an historischen und aktuellen Bestandsdaten für Gewässer des oligohalinen Bereiches sehr gering, so dass diese Referenzartenliste und damit der Referenzwert dort am schlechtesten validiert sind.

Tab. 1: Referenzartenlisten für die vier Subtypen der Salzgehaltsklassen mit den ökologischen Wertigkeiten der verschiedenen Arten und den daraus ableitbaren typspezifischen Referenzwertes dieses Bewertungsfaktors.

Diese gewässertypischen Referenzwerte bilden die Basis für das fünfstufige Bewertungsschema. Bewertet wird das Vorkommen gewässertypischer Pflanzenarten, die entsprechend ihrer ökologischen Wertigkeit unterschiedlich gewichtet werden (Tab. 2).

Tab.2: Fünfstufiges Bewertungsschema des Bewertungsfaktors ökologischer Wertigkeit/Arteninventar.

Für die eigentliche Bewertung werden, ausgehend von den Arten-Abundanz-Tabellen, die ökologische Wertigkeit für jedes Transekt separat bestimmt, indem jede bewertungsrelevante Art mit ihrer zugehörenden Wertigkeit versehen wird und durch Bildung der Summe dieser Wertigkeiten die ökologische Wertigkeit des Transektes berechnet wird. Für die Bewertung des Wasserkörpers werden alle Werte der untersuchten Transekte berücksichtigt. Da innerhalb einzelner Wasserkörper die Transekte aber unterschiedlichen Salzgehaltsbereichen und damit Referenzartenlisten zugeordnet sein können, dürfen KEINE Mittelwertberechnungen mit den Werten der ökologischen Wertigkeit selbst durchgeführt werden. Es müssen zuerst EQR-Werte separat für jeden Transekt berechnet und normiert werden. Die Normierung ist erforderlich, da je nach Referenzliste unterschiedliche Klassengrenzen und Wertebereiche abgedeckt werden und eine Verrechnung der Einzelwerte unter diesen Umständen nur nach Normierung der Werte möglich ist. Die Normierung erfolgt einheitlich auf einen Score von 0 – 1, wobei die Klassengrenzen und die berechneten Bewertungsergebnisse auf feste, vordefinierte Intervalle (= EQR-Werte) transformiert werden (Tab. 3), die nach Vorgabe der Landesämter auf drei Stellen nach dem Komma anzugeben sind:

Tab. 3: Bewertungsklassen der Ecological Quality Ratio (EQR) nach WRRL.

Klasse

EQR-Wert

sehr gut

> 0,8 – 1

gut

> 0,6 – 0,8

mäßig

> 0,4 – 0,6

unbefriedigend

> 0,2 – 0,4

schlecht

0 – 0,2

Korrekturfaktor

Obwohl das Monitoringkonzept darauf ausgelegt ist, die Wasserkörper bestmöglich flächendeckend zu beproben, ist gerade in Wasserkörpern mit einem starken Zusammenbruch der submersen wurzelnden Pflanzen zu beobachten, dass Transekte bevorzugt in Bereichen mit Vegetationsrestbeständen untersucht werden. Dies vermittelt für diese Wasserkörper oftmals den Eindruck dass die historisch verzeichneten Arten aktuell fast vollständig vorliegen. Handelt es sich dabei um zahlreiche Arten der Armleuchteralgen mit einer hohen ökologischen Wertigkeit, ergibt sich eine Bewertung, die bei der vorliegenden Belastung eigentlich zu gut ausfällt. Dass es sich mengenmäßig nur um Restbestände an Vegetation handelt, wird durch die ökologische Wertigkeit nicht direkt bewertet. Die Wasserkörper mit submersen Vegetationsrestbeständen sind davon gekennzeichnet, dass Schilfbestände die Uferzone dominieren. Diese Schilfbestände bedecken das Gewässer mindestens bis in Tiefen, in denen aktuell die Tiefengrenze der submersen Vegetation liegt (0,7 – 1,0 m). Submerse Vegetation kommt dadurch nur dort vor, wo die Schilfbestände fehlen bzw. so geringe Deckung haben, dass die Beschattung durch das Schilf submersen Bewuchs zulässt.

Um die Degradation der submersen Vegetation in das Bewertungsschema einzubinden, wird ein Korrekturfaktor für den Bewertungsparameter ökologische Wertigkeit verwendet: Übersteigt die Dominanz der emersen, wurzelnden Vegetation die der submersen, wurzelnden (Armleuchteralgen + submerse Angiospermen), ist also das Bedeckungsverhältnis dieser beiden Vegetationsgruppen > 1, wird die Bewertung der ökologischen Wertigkeit um 0,1 nach unten korrigiert (Tab. 4).

Tab. 4: Beispielhafte Berechnung der ökologischen Wertigkeit mehrerer Transekte eines Wasserkörpers inklusive EQR-Berechnung und Anwendung des Korrekturfaktors.

Tiefengrenze wurzelnder Pflanzen

Angiospermen und Armleuchteralgen besitzen im Vergleich zu mehrjährigen Rotalgen hohe Lichtansprüche, so dass die vertikale Verbreitung natürlicherweise auf das obere Sublitoral (< 10 m) beschränkt ist. Durch die Eutrophierung verschlechterte sich das Lichtklima. Dies hat wiederum eine Verschiebung der unteren Tiefengrenze von Pflanzen mit hohen Lichtansprüchen zur Folge, da die Lichtmenge an ihrer ursprünglichen Tiefengrenze nicht mehr ausreicht, um genügend Biomasse für dauerhafte (dichte) Bestände aufzubauen. Die Tiefengrenzen wurzelnder Pflanzen sind deshalb für das Weichbodenhabitat ein zentraler Bewertungsparameter. Bewertet wird die Tiefe des Bestandes mit mindestens 10 % Bedeckung, da Einzelsprosse zum einen nicht für eine dauerhafte Ansiedlung sprechen und zum anderen methodisch nur unter großem Aufwand erfassbar sind.

Da nur aus wenigen inneren Küstengewässern historische Angaben zur Tiefengrenze vorliegen, wurde im Rahmen eines Forschungsprojektes ein Lichtmodell entwickelt, das aus der maximalen Lichteindringtiefe den pristinen Lichtkoeffizienten der verschiedenen Gewässer bestimmt und mittels Oberflächentageslichtdosen eines Referenzjahres sowie artspezifischen Lichtansprüchen die historische Verbreitungsgrenze der Makrophyten für jedes Gewässer rekonstruierte (= gewässerspezifischer Tiefenreferenzwert). Ausgehend von den modellierten Referenztiefen für spezifische Gebietseinheiten/Wasserkörper/Gewässerabschnitte werden die Klassengrenzen als feststehende prozentuale Abweichungen von der jeweiligen Referenztiefe berechnet (Tab. 5).

Tab. 5: Fünfstufiges Bewertungsschema des Bewertungsfaktors Tiefengrenze wurzelnder Pflanzen.

Für die Bewertung werden die pegelkorrigierten Tiefengrenzen jedes Transektes eines Wasserkörpers herangezogen. Transekte an denen die Tiefengrenze nicht erreicht wurde, die also vollständig bewachsen waren, werden nicht in die Bewertung einbezogen. Da innerhalb einzelner Wasserkörper die Transekte unterschiedlichen Referenztiefen zugeordnet sein können, dürfen auch für diesen Parameter KEINE Mittelwertberechnungen mit den Werten der korrigierten Tiefengrenzen selbst durchgeführt werden. Es müssen zuerst EQR-Werte separat für jeden Transekt berechnet und normiert werden. Die Normierung ist erforderlich, da je nach Referenzliste unterschiedliche Klassengrenzen und Wertebereiche abgedeckt werden und eine Verrechnung der Einzelwerte unter diesen Umständen nur nach Normierung der Werte möglich ist. Die Normierung erfolgt identisch zum Bewertungsfaktor ökologische Wertigkeit/Arteninventar.

Am Beispiel des Wasserkörper Salzhaff reicht die Bewertung der Tiefengrenze von sehr gut (0,800) bis mäßig (0,454). Am Transekt SH-2 wird die Tiefengrenze nicht erreicht. Im Anschluss wird der Mittelwert der EQR-Werte gebildet. Dieser stellt den abschließenden Wert des Parameters Tiefengrenze für den Wasserkörper dar und kann durch Anwendung des 5-stufigen Bewertungssystems einer ökologischen Zustandsklasse zugeordnet werden (Tab. 6).

Tab. 6: Beispielhafte Berechnung der Tiefengrenze mehrerer Transekte eines Wasserkörpers inklusive EQR-Berechnung.

Gesamtbewertung

Zur Bildung des Endwertes des PHYBIBCO-Systems müssen die zwei Einzelparameter miteinander verrechnet werden. Da die Parameter unterschiedliche Messgrößen bewerten (ökologische Wertigkeit, Tiefengrenzen) und unterschiedliche Klassengrenzen und Wertebereiche abdecken, können nur die normierten EQR-Werte miteinander verrechnet werden, die bereits bei der Bewertung der Einzelparameter gebildet wurden.

Da für die Bewertung der Tiefengrenze wurzelnder Pflanzen eine bessere wissenschaftliche Datenlage vorliegt, geht diese mit einer zweifachen Gewichtung in das Endergebnis ein. Die Gesamtbewertung ergibt sich durch Bildung des Mittelwerts aus den gewichteten und normierten Einzelwerten (maximal drei Werte). Dieser Wert stellt gleichzeitig den EQR (Ecological Quality Ratio) des Wasserkörpers dar. Sollte die Tiefengrenze im gesamten Wasserkörper nicht erfassbar sein (weil das Tiefenspektrum natürlicherweise nicht ausreicht), so wird die abschließende Bewertung nur aus einem Wert, der Bewertung der ökologischen Wertigkeit, gebildet.

Da die Monitoringstrategie auf eine jährliche Beprobung aller Wasserkörper und Biotope ausgerichtet ist, ist eine Bewertung der Makrophyten für jeden Wasserkörper allein auf einer jährlichen Beprobung durchführbar. Diese Bewertungsroutine ist in Abbildung 14 schematisch dargestellt. Im linken Abschnitt sind die gemessenen Werte der Parameter sowie die daraus normierten Werte für jeden Bewertungsparameter angegeben. Aus dem Verhältnis der emersen zur submersen Vegetation ergibt sich gegebenenfalls eine Korrektur für den EQR-Wert der ökologischen Wertigkeit. Im rechten Abschnitt wird der Mittelwert der korrigierten und normierten EQR-Werte pro Parameter gebildet und der Wert der Tiefengrenze doppelt gewichtet. Der Gesamtwert/EQR für den Wasserkörper entsteht durch Mittelwertbildung aus diesen drei Einzelwerten. Dieser Endwert ist nach der Vorgabe der Landesämter mit drei Stellen nach dem Komma anzugeben.

Tab. 7: Darstellung der Bewertungsroutine zur jährlichen Wasserkörperbewertung.


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